Um diese Frage ging es auf dem Loop Fellow Forum in Berlin ➿
Wie werden wir unsere Titel los?
Björn, Nina und Tobias sind zwei Tage lang mit vielen klugen Menschen in den Austausch gekommen. Und bringen jetzt spannende Insights mit.
Zwei Wochen sind es jetzt, dass wir mit rund 70 Loop-Fellows zum weltweit ersten Loop Fellow Forum ✨ in Berlin zusammengekommen sind. Zwei Tage voller Möglichkeiten, mit auffällig angenehmen und klugen Menschen in den Austausch zu Themen rund um selbstorganisiertes Arbeiten und den Hashtag#LoopApproach zu gehen 🙏💗. Mit meinen Kolleg:innen Nina Mönich und Tobias Jungwirth durfte ich ein kleines Panel machen zu einer Frage, die einfach ist und crazy schwierig zugleich: Wie werden wir unsere Titel los?
Interessiert euch die Frage? Wirklich? Dann möchte euch hier etwas Kontext geben und einen Überblick über das, was wir Tolles im Austausch mit den Teilnehmer:innen lernen konnten:
Bei der Transformation unserer Agentur hin zum rollenbasierten Arbeiten verlieren die klassischen Titel und Jobbeschreibungen Schritt für Schritt an Bedeutung. Was heißt es schon, wenn jemand als Senior Art Director oder Junior Client Manager arbeitet? Und erst recht: Was tut eigentlich ein Geschäftsführer?
Ich bin bei uns zum Beispiel in Rollen unterwegs wie „Verantwortliche:r New Pay“ oder „Lead Markenkreis“. Und tatsächlich auch in der Rolle „Geschäftsführer:in“. Die hat aber sehr überschaubare Verantwortlichkeiten wie „entscheidet über Insolvenz“ oder „entscheidet über Gesellschaftszweck“. In der Rolle kann ich also nicht täglich wahnsinnige Wirksamkeit entfesseln. 🤯
Die Klarheit in der Rollenbeschreibung ist für mich und andere aber arg entlastend. Sie gibt Orientierung, wer eigentlich für was genau ansprechbar ist. Zugleich ist jede Rolle an einen Sinn gekoppelt, der sie leitet. Als Träger:in bekomme ich von der Rolle Energie aus ihrem Purpose, umgekehrt gebe ich der Rolle etwas zurück, durch die Art, wie ich sie ausfülle und weiterentwickle. Ist diese Verbindung nicht mehr da, kann ich sie ablegen wie einen Anzug, den ich nicht mehr so mag, und jemand anderem in der Organisation zur Verfügung stellen.
Hierin besteht ein großer Unterschied zu den Jobtiteln wie wir sie kennen: Dass jemand auf dem klassischen Karriereweg seinen Titel wechselt, ist eher die Ausnahme. Die Beförderungslinie verläuft ansteigend von Junioren- zu Direktoren-Level – und bleibt in der Regel im gleichen fachlichen Korridor. Warum ich einen Senior-Titel bekomme? Weil ich das tendenziell Gleiche schon sehr lange mache.
Diese Logik befördert also die Festlegung auf Menschen als Spezialist:innen – und kennt für Beförderung nur eine Richtung (aka Peter-Prinzip). Einen Titel abzugeben und in einem neuen Bereich „ganz unten“ anzufangen, muss man dem eigenen Ego erstmal zumuten. Rollen als variabler Ausdruck meiner Stärken ziehen dagegen in Betracht, dass sich meine Interessen und Leidenschaften ändern. Dass ich in meinem Leben auch mal schneller oder langsamer gehen kann oder möchte.
Rollen wissen außerdem, dass sie Konstellationen brauchen, um in ihre volle Wirksamkeit zu kommen. Sie folgen dem Prinzip der Rollenautonomie (ich bin führend in diesem Bereich und entscheide selbstständig) und sind doch Teil eines Teams oder Kreises, in dem auch andere Rollen vertreten sind, mit denen ich nach einem gemeinsamen Purpose arbeite.
Worin aber haben Jobtitel ihren Wert?
Sie schaffen eine Reduktion von Komplexität, sie schaffen Vergleichbarkeit und funktionieren als eine Art Währung, die über meine Betriebs- und Systemzugehörigkeit hinaus (an)erkannt wird. Wenn wir also im Rausch der neuen Rollenfreiheit Jobtitel entsorgen wollen, sollten wir nicht vergessen, dass es auch außerhalb unserer Organisation eine Karriere gibt, die nach wie vor auch am Rang des Jobtitels ausgerichtet ist.
Unsere etwas vereinfachende Ausgangsfrage „Wie werden wir unsere Titel los?“ lässt sich also vielleicht zuspitzen: Wie lassen sich Karrierewege beschreiten abseits von Titeln? Oder: Wie kann ich Wertschätzung abseits von Titeln vermitteln?
Wie resonieren diese Fragen in euch? Kennt ihr das, bewegt euch das ähnlich oder ganz anders? In unserem Panel haben wir jedenfalls rege diskutiert und durften einiges mitnehmen. Hier im Überblick die Lernlinien, die wir weiterverfolgen möchten:
LEARNING #1: SPRECHEN HILFT
Die oben geschilderten Widersprüche sind Paradoxien, die sich nicht einfach auflösen, sondern eher als Kraftfeld entfalten lassen. Ein Karriereweg abseits von Titeln lässt sich nicht über eine neue Regelung beschließen, er kann nur in einem kontinuierlichen Sense & Respond gemeinsam beschritten werden. Wenn ein fester Glaubenssatz wie mein Titel zur Debatte gestellt wird, muss die Organisation erstmal zu dem Thema sprechen und verstehen lernen, wie die Bedürfnisse eigentlich gelagert sind. Dazu aber braucht es wertschätzendes Sprechen wie es der Hashtag#LoopApproach zur Verfügung stellt.
LEARNING #2: SPIELEN HILFT
In unserer Agentur wie wohl in vielen Organisationen, die sich auf dem Weg ins rollenbasierte Arbeiten gemacht haben, sind nicht alle Rollen schon entwickelt und ausformuliert. Wo es Unschärfen gibt, braucht es vielleicht ein Spiel mit dem Status Quo: Ein Experiment könnte sein, einen Monat lang, die bestehenden Titel untereinander zu tauschen und zu beobachten, was sich im Denken und Handeln verändert. Das könnte helfen gegen die Verzweiflung, dass wir (vorerst noch) nicht perfekt sind.
LEARNING #3: SICHTBARKEIT HILFT
Ein Weg in eine neue Wertschätzung abseits von Titeln liegt in der Veröffentlichung: Intern über Tools wie Holaspirit oder Slack, aber auch nach außen in der Signatur. „Hey, ich bin Björn und bei Vier für Texas bin ich in diesen Rollen unterwegs: ...“ Jede Währung braucht Vertrauen in ihre Relevanz und Relevanz braucht Verbreitung. Wenn wir beginnen, Rollen zu publizieren, provoziert das produktive Fragen und Nachahmung.
LEARNING #4: INNERE ARBEIT HILFT
New Work needs inner work, sagen Bettina Rollow und Joana Breidenbach in ihrem tollen Buch. Die Arbeit mit Rollen erfordert tatsächlich genau das, eine innere Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und der Frage, was ich wirklich wirklich mit mir und meinem Job anfangen möchte. Diese persönliche Auseinandersetzung kann mir niemand abnehmen. Was eine Organisation tun kann: Einen Raum der psychologischen Sicherheit schaffen, Geduld und Fehlertoleranz bereitstellen. Jede Rolle ist immer nur ein Prototyp, der schon morgen wieder geändert werden kann.
LEARNING #5: AUCH KLEINE SCHRITTE HELFEN
Der Loop heißt Loop, weil er über den nächsten Schritt nachdenkt, der safe enough to try ist und die Situation ein kleines bisschen besser macht. ➿ Auf Rollen bezogen kann das heißen, erstmal den eigenen Titel aufzuschreiben: Welchem Purpose folge ich als Art Director? Welche Verantwortlichkeiten habe ich? Das ändert erstmal nichts Grundlegendes, schafft aber Klarheit für andere (die sich vielleicht immer gefragt haben, was jemand mit einem solchen Titel eigentlich tut). Und im nächsten Schritt kommen vielleicht Veränderungen dazu: Mir wird klar, dass ich mich im Team immer um die Geburtstagsgeschenke kümmere – das kann ich dann ja auch mal in eine klar definierte Rolle packen, die anderen Orientierung gibt. Schritt für Schritt werden Rollen besprech- und veränderbar.
Ein erster nächster Schritt könnte sein, einen Text zum Thema zu teilen (auf die Gefahr hin, dass der dann arg lang wird... 😇)
Soweit mal einige der Impulse, die wir mitnehmen und dankbar nach Hause tragen durften. Ich würde mich sehr freuen, mit euch weiter über dieses Thema zu diskutieren, das irgendwie ganz viele Ebenen dessen zu berühren scheint, was Neues Arbeiten sein könnte.
Vorher möchte ich aber noch ein riesengroßes DANKE DANKE DANKE sagen an alle, die unser Panel, aber vor allem dieses erste Loop Fellow Forum zu so einer unvergesslichen Erfahrung gemacht haben!
Wenn ihr jetzt richtig neugierig geworden seid, könnt ihr euch auch hier weiter über das Thema rollenbasiertes Arbeiten informieren. Oder ihr schreibt uns!